geb. 16. Juli 1885 in Schnappach, gest. 31. Oktober 1972 in Gauting (bei München)
Wolfgang Krämer verfasste einen historischen Roman, der die Französische Revolution im Land derer von der Leyen zum Thema hat.
Auch wenn Wolfgang Krämer Erzählungen, Geschichten und einen Roman verfasst hat, so lag der Schwerpunkt seiner publizistischen Tätigkeit zweifellos auf der wissenschaftlich-historischen Ebene. Die bei den Recherchen dazu ermittelten Daten und Fakten flossen obligatorisch in seine literarische Arbeit ein, so dass diese aller Fiktion zum Trotz auf wirklichkeitsnahem Fundament fußt.
Als Sohn eines Schulrektors in dem damals hart an der preußischen Grenze gelegenen St. Ingberter Stadtteil Schnappach (seit 1974 zu Sulzbach) aufgewachsen, führte ihn seine Ausbildung (bis 1902 Progymnasium St. Ingbert, bis 1905 Gymnasium Zweibrücken) schließlich zum Studium an die Universität München. Dort belegte Krämer Deutsche Philologie, Geschichte und Geographie. 1909 bestand er das Examen für das Höhere Lehramt. Zeitweilig als „Privatgelehrter“ und Bibliothekar der Geographischen Gesellschaft in München fungierend, bekam er 1921 eine Lehrerstelle. Bis zur seiner Pensionierung 1950 unterrichtete er an der Ludwig-Oberrealschule in München.
Wichtige Erkenntnisse verdankt ihm die Regional- und Lokalgeschichte durch seine Tätigkeit im „Fürstlichen von der Leyenschen Familienarchiv“ in Waal (bei Landbserg/Lech). Über vier Jahrzehnte hinweg verbrachte er Teile seiner Schulferien damit, die Leyenschen Bestände ehrenamtlich neu zu ordnen, zu inventarisieren und nutzbar zu machen. In dieser Zeit verfasste er mehr als 500 Beiträge zur Geschichte des Leyenlandes im Bliesgau und insbesondere seiner Heimatstadt St. Ingbert. ZITAT
Zitat von Wolfgang Krämer
Schon im nächsten Jahr, 1886, wurde mein Vater nach St. Ingbert versetzt. St. Ingbert war damals ein kleiner aber lebhafter, zum Saarwirtschaftsgebiet gehörender Industrieort von über 8.000 Einwohnern, eine Arbeitersiedlung von mehr ländlichem als städtischem Charakter. Eine bedeutende Kohlengrube, die größte von ganz Bayern, ein großes Eisenwerk und mehrere Glashütten gaben ihm sein Gepräge. Trotzdem hatte sich die ursprüngliche Eigenart des Ortes noch erhalten. Inmitten prächtig bewaldeter Höhenzüge gelegen, besaß St. Ingbert auf seinem weiten Bann so viele Feldstücke, daß die meisten Arbeiter, Schmelzer und Bergleute, noch eine kleine Landwirtschaft betreiben konnten, wie das auch im übrigen Saargebiet der Fall war. Geißen und Wutzen waren neben Stallhasen das Hauptvieh, denen der leichte, magere Sandboden das Futter zu liefern schien. Die Stadt selbst bestand im wesentlichen aus nüchternen Arbeitshäusern, die wahllos in langen Zeilen sich nach allen Richtungen ausbreiteten. Ein eigentlicher Kern und Mittelpunkt fehlte. Unähnlich den Nachbarstädten Saarbrücken, Zweibrücken, Blieskastel, war St. Ingbert niemals Residenz gewesen. Tradition, Kultur, höfische Erinnerungen fehlten vollständig, geistiges Leben war nicht vorhanden. Es war eine Stadt der Arbeit und des nüchternen Alltags, die sich hier, allerdings in anziehendem Naturrahmen aus einem einfachen Waldbauerndorf in ziemlich kurzer Zeit entwickelt hatte. Heute ist St. Ingbert seit vielen Jahren eine Stadt von über 20.000 Einwohnern. Seit dem Ersten Weltkrieg hat es sich stadtmäßig entwickelt. Wer in der Fremde weilt und nach Jahren wiederkommt, sieht mit Freude die materiellen und geistigen Fortschritte im Gemeindewesen. Aber die Verhältnisse vor kaum zwei Menschenaltern waren noch recht einfach. Eine Stadt wohl dem Namen und dem Rang nach, in Wirklichkeit jedoch eine Siedlung von fast dorfähnlichem Charakter.
Meine Eltern wohnten zuerst in der Kapellenstraße, einer Straße, die vom Stadtinnern zum nordöstlich gelegenen Friedhof zog, in dem die Wendelinskapelle stand, von der sie den Namen trug. Sie bewohnten den zweiten Stock eines Hauses, das dem Schmiedemeister Fries gehörte. Dort verbrachte ich mit meinen zwei jüngeren Geschwistern die ersten Jahre meiner Kindheit.Da meine Eltern sparsam lebten und nach dem Tode der Großeltern noch ein kleines Erbteil bekamen, so konnte mein Vater 1893 sich ein eigenes Häuschen bauen jenseits der Eisenbahn im Süden der Stadt, ziemlich weit von unserer bisherigen Wohnung. Diese Gegend war damals noch wenig bewohnt. Aber wir hatten Pech. Hart neben uns lärmte Tag und Nacht eine Dampfkesselfabrik, und da unmittelbar nebenan auch die Eisenbahn mit nicht geringem Verkehr vorüberführt, so baute sich der Vater wenige Jahre nachher (1896) weiter südlich und noch mehr am äußersten Stadtrand, in der heutigen Hochstraße, ein größeres, schöneres Wohnhaus, selbstverständlich mit Garten und Stall. Denn es wurden nacheinander Kaninchen, Ziegen und Schweine gehalten, von Hühnern nicht zu reden, deren Zucht die ganze Leidenschaft des Vaters ausmachte. Allein auch im zweiten Haus wohnten wir nur kurze Zeit. Mein Vater war voller Baulust und Unternehmungsfreude und mit jedem Neubau suchte er die bisherigen Erfahrungen zu verwerten. Im Jahre 1901 ließ er unmittelbar nebenan ein kleines Haus, übrigens im nämlichen „Villenstil“ erbauen, das ihm taugte. „Nun aber hat die Bauerei ein Ende“, sagte er und war’s zufrieden. Dort in ihrem dritten Haus lebten meine Eltern noch manches Jahrzehnt bis an ihr Ende.
Zwischen Hochstraße und Betzentaler Berg ganz im Süden der Stadtgemarkung war alles Gelände noch unbebaut. Dort wo heute das Kapuzinerkloster steht, dehnte sich die sogenannte „Lehmkaut“, ein aufgewühlter Grund mit mehreren tiefen Tümpeln, die mit gelben und durchsichtigem Wasser gefüllt waren. Trotz ihrer Gefahr wurden sie von den Buben zum Baden benutzt. Ich erinnere mich noch eines Tages der großen Aufregung in der „Spatzengasse“ (so hieß die nahe Adolfstraße, weil sie von Glasspatzen, d. h. Glashüttenarbeitern bewohnt war), als es hieß, der 10jährige Junge einer dortigen Familie sei soeben aus einem Tümpel der Lehmkaut ertrunken herausgezogen worden.
aus: Kurt Schöndorf (Hg.). Autobiographische Notizen von Wolfgang Krämer. Saarpfalz. Blätter für Geschichte und Volkskunde, 1985, H.4
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1929 promovierte Krämer mit dem Thema „Geschichte des Steinkohlen-Bergbaus zu St. Ingbert“. Wenige Jahre zuvor, 1925, war bereits seine zweibändige St. Ingberter Stadtgeschichte erschienen.1
Über historische Forschungen und Veröffentlichungen hinaus gab Wolfgang Krämer Werke und Briefe regionaler Autoren und Persönlichkeiten heraus – so die „Pfälzischen Gedichte“ von Karl August Woll (1906 bzw. 1923), die ausführliche Monographie über die „Reichsgräfin von der Leyen“ von Ludwig Eid (1937) oder „Die Kartoffelrepublik. Verse und Prosa“ von Karl Uhl (1956). Darüber hinaus verfasste er selbst biographische Umrisse des Mundartdichters Woll sowie des aus St. Ingbert stammenden Malers Albert Weisgerber.
Das Pseudonym „Heinrich Märker“ (Anagramm aus „Krämer“) verwendete er für sein literarischeres Schaffen. Historische Geschichten (wie „Aulus Trio“, 1958) sowie Erzählungen („Salvatore“, 1960) finden sich in dieser Kategorie. Sein einziger Roman „Um Wald und Kohle“ (erstmals 1925) hat die unmittelbaren Jahre der Französischen Revolution 1789-1793 zum zeitlichen Hintergrund. Bei aller Fiktion hält sich „Märker“ an die wissenschaftlich nachgewiesenen Tatsachen, selbst die Namen der handelnden Personen, der St. Ingberter wie Ommersheimer Revolutionäre als auch der Blieskasteler Regierungsakteure sind dokumentiert.
Erwähnenswert sind schließlich seine Sammlungen von Kuriositäten, die er während seiner Lehrerzeit aus Schülerarbeiten exzerpierte. Diese „Lukasberger Stilblüten“, die zwischen 1952 und 1965 in zahllosen Auflagen erschienen, waren populäre und sehr erfolgreiche Publikationen. (MB)