Marion Kemmerzell

geb. 31. März 1955 in Offenbach

Marion Kemmerzell (Geburtsname der Großmutter) ist der Künstlername von Marion Obermeier. Die saarländische Autorin schreibt Erzählungen und Romane, die ins Reich der Phantastik, neuerdings auch in die reale Geschichte führen.
Stichworte zur Biografie: geboren in Offenbach als Tochter des späteren SR-Hörspielchefs Werner Klippert und der Schauspielerin Ria Maria Wullinger (Maria Klippert-Wullinger, 1927-2017). Schule in Hamburg und Saarbrücken. Ballett-Ausbildung. Arbeit in einem Münchner Auktionshaus. Studium Rechtswissenschaften, Kunstgeschichte und Archäologie in Saarbrücken. Mitgründerin von Thunis, Theater der Universität des Saarlandes (Mitwirkung als Darstellerin 1976/77 in „Lysistrata“, 1977/78 in „Kuckucksnest“). Lebt seit 1995 im Saarland. Buchveröffentlichungen seit 1998.

Marion Kemmerzells erste Romane und Erzählungen greifen auf Gestalten aus der Mythologie und frühen Geschichte zurück, arbeiten mit Schreckensbildern und Zeitsprüngen. Die Realität erscheint brüchig, Irreales wird „Wirklichkeit“. Die Autorin verwahrt sich allerdings gegen die Einordnung ins Fantasy-Genre.
Marion Kemmerzells erster Roman, „Udug“, trägt autobiografische Züge: Die Heldin Paula studiert Archäologie, offenbar an der Saarbrücker Uni, und sie ist Mitglied in einer studentischen Theatergruppe. Aus dieser Realität heraus gerät sie in den Sog dämonischer Kräfte, wird 6000 Jahre zurückversetzt und verliebt sich in den sumerischen König Dumuzi.
In „Abel oder der Untergang des Himmels“, einem „Roman, der eine unglückliche Beziehungs- mit einer verwickelten Kriminalgeschichte und einer modernen Vampir-Version verbindet“ (SZ 27.10.2004), ist Abel Albrecht eine aus dem Barock in die Gegenwart entsprungene Figur. Die Schriftstellerin Sibylle Knauss schreibt: „Das Besondere an diesem Buch ist, dass es eine Geschichte erzählt, die mitten aus unserem Leben gegriffen zu sein scheint – die Geschichte vom untreuen Liebhaber – und uns gleichzeitig in eine Welt eintauchen lässt, die merkwürdig fremd und weit von uns entfernt ist.“ Und bei dpa heißt es: „Kemmerzell erlaubt sich bei aller sprachlichen Präzision fantastische Freiheiten und versteht es, die Liebesgeschichte von Elisabeth und Abel mit flimmernder Erotik zu umgeben.“ (Beide Zitate sowie weitere Rezensionen auf der Homepage der Autorin.)

Im Roman „Siebenschläfer“ (2017) arbeitet die Erzählerin mit einer Rahmenhandlung aus der Zeit um 1350, die noch tiefer in die Historie führt. Ein Ich-Erzähler berichtet vom Leben seiner Vorfahrin Mathilde, die in der strengen Ordnung eines Klosters aufwächst, „wo man Kontrolle bis in ihr Herz und ihre Gedanken beansprucht“, und die schließlich bei einem Kreuzzug ihr Leben riskiert, „um im Heidenkampf endlich Gottes Wohlgefallen zu erregen“.

Es ist ein historischer Roman mit einem realen Stoff, auf den die Erzählerin durch die persönliche Bekanntschaft mit den Besitzern von Burg Schaubeck in Baden-Württemberg kam. Im Rahmen einer Lesung im Saarländischen Künstlerhaus am 24.4.17 erläuterte sie, sie habe ergründen wollen, wie es dazu kommt, dass junge Menschen sich in einen Kampf gegen „Ungläubige“ treiben lassen, und habe eine Parallele zwischen dem historischen Kreuzfahrer-Stoff zu heutigen IS-Kämpfern gesehen. Der Schriftsteller Andreas Dury deutete das Buch bei seiner Einführung zur Lesung psychologisch: „‘Historischer Roman‘ ist das Genre, das Gerüst für die eigentliche Geschichte einer jungen Frau, der es unmöglich ist, eine ihr angemessene sexuelle Identität auszubilden.“

2023 veröffentlicht Marion Kemmerzell in der Edition Klöpfer des Stuttgarter Alfred Kröner Verlags den Roman „Gestern, im Jahr 634“. Die Geschichte basiert auf dem Testament des Adalgisel Grimo von 634, wieder verbindet die Autorin verbürgte Historie mit fantasievoller Erzählung.

Der Roman wurde von der Kritik positiv aufgenommen. Immer wieder betont wurde die der Story zugrundeliegende sorgfältige historische Recherche. Für Karsten Zimalla (westzeit.de) ist es „gerade diese Genauigkeit auch im Detail, die diesen Roman so lesenswert macht“. Sebastian Dingler hebt die Sprache hervor, wenn er in der „Saarbrücker Zeitung“ von einem „wortgewaltigen Epos“ spricht. Und Jörg W. Gronius (Saarländischer Rundfunk) sieht Bezüge zur Gegenwart: „Gestern, im Jahr 634, ist eigentlich wie heute: Krieg mit allem, was dazugehört… Der Roman könnte genauso heute spielen, etwa in der Ukraine.“ (RP)