„Erika, die Mann ist da!“
Luxemburger Kabarett-Geschichte(n)
„Klein, aber Bürger“, sagte sich Anfang der 1980er Jahre doppelsinnig ein Luxemburger Lehrer und ging auf die Kellerbühne des hauptstädtischen Theaters, um Kabarett zu machen. Politisches Kabarett, das sich als Aufklärung mit satirischen Mitteln verstand: über die allzu „klein(luxem)bürgerliche“ Auslegung der „Mir welle bleiwe wat mir sin“-Devise mancher seiner Landsleute zum Beispiel. In der Folge erinnerte das Ein-Mann-Unternehmen mit der Davidsschleuder in einer Schrift, „Literarisches Engagement wider die totalitäre Dummheit“, an die Luxemburger Auftritte eines jungen deutschen Kabarett-Ensembles in den dreißiger Jahren: Erika Manns „Pfeffermühle“.
Insgesamt viermal gastierte die Truppe 1935 und 1936 im Lande und gab sieben Vorstellungen: in Luxemburg, Esch/Alzette und Diekirch. Eingeladen hatten jeweils die Linken: „Beteiligt Euch, es geht um Eure Erde! / Und Ihr allein, Ihr habt die ganze Macht!“ Luxemburg – Wand an Wand mit Hitler – reagierte positiv, ja begeistert. Kleiner Lorbeer auf Vorschuss in der „Luxemburger Zeitung“: „Eng Pfeffermillchen, sagt man hierzulande von einer Frau, die scharf und fix und kein alltägliches Zeug redet. Ob Erika Mann das wusste, als sie ihr Überbrettl „Die Pfeffermühle“ taufte? Wahrscheinlich ist es ja nicht, aber stimmen tut’s.“
Aufschlussreich die Kritiken und Marginalien in den Journalen. Zur (nachgeholten ersten) Vorstellung bereits in der ALFA-Brasserie (gegenüber dem Bahnhof): „Schon vor halb neun war im ALFA vorhanden, was im gewöhnlichen Sprachgebrauch ein voller Saal heißt. Und vom Eingang her drängte es nach, dicht, hartnäckig, plätzegierig, und wenn schon gar kein Platz mehr war, sah man immer noch Leute, die mit hoch erhobenem Stuhl auf eine winzige Lücke losstrebten, die Kellner drangen durch die kompakte Masse Mensch, wie die Pflugschar durch schweren Ackerboden, es war unheimlich …“ („Luxemburger Zeitung“). Im „Escher Tageblatt“ dann: „Erika Mann und ihre Helfer stehen am Bett des kranken Europas. Sie haben delirium tremens bei den Patienten festgestellt und bangen um eine nahe Agonie. Doch geben sie den Kranken nicht verloren, doch hoffen sie auf Besserung. Angst ist da und Liebe, Händeringen und Beschwörung… Mit der Pfeffermühle wurde ein vollständig neuartiges Kabarett gegründet.“ Nach dem Auftritt im „Hotel de la Poste“ in Esch besuchte die Truppe übrigens, vor allem auf Wunsch von Therese Giese, die Regie führte, den Abstich eines Hochofens auf Arbed-Belval.
Am 26. April 1936 gab die „Pfeffermühle“ auf ihrer Holland-Tournee die 1.000. Vorstellung. Mars Klein: „Vom Publikum bejubelt, von der Presse fast ausnahmslos gelobt, von der Fremdenpolizei der jeweiligen Staaten immer mit Beunruhigung und Angst vor Repressalien durch den mächtigen deutschen Nachbarn empfangen.“ Am 7. und 8. Mai ging es noch einmal, ein viertes Mal nach Luxemburg. Es waren die Auftritte 1011 und 1012, die letzten offiziellen in Europa überhaupt. Die Luxemburger im ALFA erlebten also als letztes europäisches Publikum die legendäre Truppe. Eine Zeitlang noch war in Esch geflügelt: „Erika, die Mann ist da!“ oder auch: „Was bringt Erika, Pfeffer oder Paprika?“
Zehn Jahre vergingen, da kam Erika Mann noch einmal nach Luxemburg. Als amerikanischer War Correspondent. In einem Brief an Katia Mann vom 22. August berichtet sie: „Meine letzte Fahrt ging nach Bad Mondorf, wo ich den „Big 52“ einen Besuch abstattete. Ein gespenstischeres Abenteuer ist nicht vorstellbar. Göring, Papen, Rosenberg, Streicher, Ley – „tout l’horreur du monde“, eingesperrt in einem ehemaligen Hotel, das zum Gefängnis wurde und aus dem seine Insassen ein regelrechtes Irrenhaus gemacht haben…“ Hélas! Grotesker könnte ein Kabarett-Szenario nicht sein. Den (prophetischen) Kontext hatten die Exil-Programme der „Pfeffermühle“ längst geliefert: „Was man damals bessern wollte, / Ist jetzt hoffentlich all right.“