Zwei Denkmäler für eine Maus

Eine Luxemburger LiteraTour

Topographie. Goethe hat am besonderen Platz sein Denkmal, auf dem Bockfelsen. Zitiert wird dort aber nicht das Lob der Festung Luxemburg: „Die allen Begriff übersteigende Mannigfaltigkeit der auf- und aneinander getürmten, gefügten Kriegsgebäude …“ Sondern die idyllisch getönte Reminiszenz an „soviel Größe mit Anmut, soviel Ernst mit Lieblichkeit verbunden …“ Zitate können verräterisch sein. Sie verraten die Mythen, von denen Städte manchmal lieber leben als von ihren Wirklichkeiten. Luxemburger Realität: als Roger Manderscheid 1975 seinen Film „Stille Tage in Luxemburg“ zeigte, brachte der die Luxemburger auf die Bäume. Zeigte er doch „eine Seite von Luxemburg, die sonst nie gezeigt wird“.

Das erste literarische Denkmal wurde in Luxemburg 1903 gesetzt. Für zwei „Volleksdichter“, die in der Erinnerung des Volkes immer Arm in Arm auftraten, sich in Wirklichkeit aber gar nicht so grün waren. „Ons Sprôch“ wegen. Dicks, der sie „ass richtfort we’ d’Natur“ verstand, und Michel Lentz, Verfasser der Nationalhymne „Ons Hémecht“ (1864), der dem Dicks vorwarf, sein Lëtzebuergesch sei gestelzt und ginge „bei dem Hochdeutschen auf Borg“. Zehn Jahre nach beider Tod brachte sie „ons Vollek“ trotzdem zusammen. Auf dem Nationaldenkmal hinter der „Plëssdarem“, zwischen den Allegorien von Eisenindustrie und Landwirtschaft. Michel Rodanges (1827-1876) wird nahebei auf dem Knuedler gedacht. Er war der Entmythologisierer. Mit seinem „Renert“ (1872) – frei nach Goethes „Reineke Fuchs“ – ging er mit der Luxemburger Gesellschaft seiner Zeit, nicht gerade gnädig, satirisch ins Gericht. Was bekanntermaßen kaum Sympathien einbringt. Immerhin, Literatur als Medium des Widerstands gegen das Vergessen: 100 Jahre nach seinem Erscheinen kam der „Renert“ auf die UNESCO-Auswahlliste des 19. Jahrhunderts. Das (vorläufig) letzte Dichterdenkmal in der Hauptstadt ist im Stadtpark zu entdecken: die Büste Lucien Koenigs (1888-1961) von 1987. Als „Siggy vu Lëtzebuerg“ – „Lëtzebuerg de Lëtzebuerger a soss kengem op der Welt“ – war er der Promoter der Patrioten, nicht der Poeten. „Dichters Lande“ sonst, gemeinhin Luxemburg-Land. Das Merscher Literaturhaus bringt Liebhaber auf den Weg. Und vor Ort. Man muss in Mersch nur Acht geben, dass man sich nicht festliest, notfalls hilft einem Germaine Goetzinger auf die Sprünge. „Dichters Ort“ quer über Land … Mersch erinnert an Nic Welter (1871-1951), Dramatiker, Lyriker und – „in alten Gleisen und auf neuen Wegen“ – Literturhistoriker, Gesamtwerk 5 Bände. Ehnen an Nikolaus Hein (1889-1969), den „Moseldichter“ (was das auch immer heißen mag), und das Dorf als Weltmodell in der 1939 abgeschlossenen Erzählung  „Der  Verräter“.  Mamer  an  Nicolas  Mameranus  (ca. 1500-ca. 1566),  Poeta Laureatus am Hofe Karls V. und Philipps II. Rumelange schließlich an Batty Weber (1860-1940),  der  „einzige  Luxemburger  damals,  der  wirkliches  Deutsch  schrieb  und dennoch Luxemburger blieb“. So Norbert Jacques (1880-1954), dem selbst (nach Mars Klein) so ziemlich alle luxemburgischen Superlative zu quittieren wären: als inter- national bedeutendster, im „Ländchen“ jedoch „kontroversester, vergessenster, verkanntester, verbanntester“ Autor.

Die Superlative, ach ja. Einer wenigstens sei noch zugebilligt. Der Bürmeringer Feldmaus  „Kätti“  von  Auguste  Liesch  (1874-1949).  Die  in  Stadt  Luxemburg  Besuch macht und dort, als gehörte sie zu „Renerts“ Verwandtschaft, so manches spitzkriegt, was man sonst lieber hinter den Kulissen hält. Zwei Denkmäler hat das „Kätti“ eingebracht, in Bürmeringen und Mondorf. Nur Goethe, Victor Hugo, Michel Rodange und der Dicks kamen in Luxemburg zu gleichen Ehren.