HORNBACH – Die Klosterstadt des Heiligen Pirmin
Die kleine Stadt Hornbach liegt im Süden der Südpfalz und in Nachbarschaft von Saarpfalz und Bitscher Land, dem Pays de Bitche. Ihre Entstehung verdankt sie dem Hl. Pirmin.
Das trotz der Kriege des 17. Jahrhunderts „durchaus noch reizvolle geschlossene Stadtbild“ (Eduard Finke) wurde zu Beginn des Zweiten Weltkriegs durch Abriss der Hälfte aller Häuser zugunsten einer „freien Aufmarschzone“ zerstört. Damit versank das Landstädtchen in einen Dornröschenschlaf. Es war langweilig, trostlos und unbehaust geworden. Die erste Gegenmaßnahme war, 1980 den Stadtkern unter Denkmalschutz zu stellen. Aber erst im Frühjahr 2000 wurde durch die Eröffnung des Klosterhotels der Ort wieder lebendig.
Ein Besuch, ob mit Auto, Fahrrad oder auf Wanderwegen, lohnt. Die „Klosterstadt Hornbach“ (wie sich der Ort heute nennt) bietet in einer Broschüre einen Stadtrundgang mit 28 Stationen an. Die bedeutendste: der Bezirk des von Pirmin 742 gegründeten Klosters, im Mittelalter das „reichste und angesehenste Benediktinerkloster zwischen Speyer und Metz“ (Dehio).
Von der Siedlung im Tal am Zusammenfluss (Gamundium) von Schwalb und Trualb führt die Hauptstraße hinauf zum Unteren Tor der umwehrten ehemaligen Abtei, seit 2000 Hotel „Kloster Hornbach“. Architekten haben gemeinsam mit den Denkmalschutzbehörden Relikte des nach der Reformation heruntergekommenen Gebäudes in ihr modernes Konzept integriert. So die romanische Abtskapelle (heute Trauungen vorbehalten), Reste des Refektoriums (Speisesaal der Mönche, heute Gourmet-Restaurant), Teile des Kreuzgangs.
Das Gelände der ehemaligen Klosterkirche gehört nicht zum Hotel. Dort führten Grabungen bereits ab 1953 zur Freilegung der Grundmauern. Das Ergebnis: Die ruinös gewordene, 1781 beim Bau der Evangelischen Pfarrkirche abgetragene Abteikirche war eine romanische dreischiffige Pfeilerbasilika aus dem 11. Jahrhundert, die einschließlich der Erweiterungen im 12. und 13. Jahrhundert eine Gesamtlänge von über 71 Metern erreichte.
Beiläufig entdeckt wurde Pirmins Grab.
Pirmins Gründung
Hornbach war Pirmins letzter und längster Aufenthalt. Nach Wunsch, wie es ein Hornbacher Mönch in seiner um 850 in Latein verfassten Vita versichert: 1
„Hier ist meine Ruhe ewiglich, hier will ich wohnen, weil ich den selben [Ort] erwählt habe. Hier will ich mit Gottes Wille das Ende meines Lebens erreichen, bis die Posaune des Herrn vom Himmel ertönt und alle Toten auferstehen und wir dem Herrn entgegengehen.“ (Übersetzung von Eduard Finke) Dieser Wunsch wurde Pirmin nicht erfüllt. Achthundert Jahre nach seinem Tod (753) wurde das Kloster 1559 säkularisiert, Pirmins Gebeine kamen über Speyer nach Innsbruck.
Der „erwählte“ Ort gehörte zum Besitz von Graf Warinhar aus der Familie der mächtigen Widonen, der seine Stiftung großzügig mit Ländereien begabte. Von der Begegnung beider, des Stifters und des Gründers, bis zum Bau einer dem Apostel Petrus geweihten Kirche erzählt die Vita ausführlich. Wohlgemerkt: Der Autor wollte nicht informieren, er wollte erbauen. ZITAT
Pirmins Grab
Während der Grabungen der 1950er Jahre entdeckte man in der Apsis (Altarnische) des Vorgängerbaus der romanischen Kirche Pirmins leeres Grab. Es ist eine konische Grabkammer, zu der eine trapezförmige, ummauerte Treppe hinunterführt. Nach der Vita handelt es sich hier um eine Zweitbestattung: „Im Kloster Hornbach ist am zweiten November die feierliche Wiederbestattung des heiligen Bischofs Pirminius.“ Damit gemeint ist wohl die Überführung des Heiligen aus einer ersten in die zweite, um vieles größere karolingische Kirche und seine Beisetzung in deren Hauptapsis.
Die noch erhaltene Grabinschrift des Schriftstellers, Lehrers und Theologen Hrabanus Maurus, 847 bis 856 Erzbischof von Mainz, würdigt Pirmin in lateinischen Versen. In Übersetzung von Richard Antoni: „Pirminius selbst, Bischof und Christi Bekenner, / bewohnt dieses Haus und heiligt den Ort. / Um Christi willen hat er die gegenwärtigen Freuden der Welt / verschmäht und für sich die Armut erwählt. / Er verließ Vaterland, Volk und Verwandte / und suchte die Fremde, verdiente den Himmel. / Das Volk der Franken suchte er mit klarer Lehre zu gewinnen / und erbaute für Gott sehr viele heilige Stätten. / Hier auch ruht er nun, hat die Glieder des Leibes abgelegt / und mit der Seele besitzt er oben das glückliche Reich. / Er hilft allen, die würdig Himmlisches suchen, / und in rechter Weise bewahrt er selbst seine Diener“.
Die Evangelische Kirche der Pfalz ließ über dem leeren Grab eine Gedenkstätte errichten
Pirmansland
Nach Pirmin sind Ortschaften benannt (die Stadt Pirmasens entstand aus einer Hirtensiedlung des Klosters), Wanderwege (Pirminspfad von Hornbach nach Wissembourg/Weißenburg), viele Kirchen (St. Pirminius in Hornbach) sind ihm geweiht. In Sagen ist er lebendig. Das besonders in der Saarpfalz, dort, wo die Besitzungen des reich begüterten Klosters sich erstreckten. Genauer: Es ist das Waldgebiet (die „Kleine Schweiz“) zwischen Kirkel, Bierbach und Lautzkirchen, sowie das Bauernland im Bliesgau. (Das heute „Pirmannswald“ genannte Areal ist nur ein Teil davon.) Sagen sind gut verortet.
Wie selbstverständlich die Leute mit ihrem „Hausheiligen“ umgingen, wie sehr er in ihrem Alltag gegenwärtig war, das zeigt sich besonders, wenn’s Streitigkeiten gab, zum Beispiel ums Holz im Wald. ZITAT
Johann Nikolaus Götz – Pfarrer und heimlicher Poet
Tausend Jahre nach Pirmin lebte in Hornbach der Dichter und Pfarrer Johann Nikolaus Götz. War der Ort für den Klosterbischof sein letzter und längster Aufenthalt, so für den Pfarrer seine erste und kürzeste Amtszeit. (In Zahlen: 742-753 und 1751-1754.)
Welchen Anblick die kleine Stadt Mitte des 19. Jahrhunderts bot, beschreibt der Schriftsteller und Volkskundler August Becker in seinem Buch „Die Pfalz und die Pfälzer“ 1857: Hornbach liegt „in wahrhaft anmutiger Umgebung, die den Anblick des Städtchens, das einen malerischen Eindruck macht, sehr hervorhebt. Da stehen Trümmer von Ringmauern, altertümliche ruinöse Häusergiebel, über dem Städtchen die Reste des alten Klosters mit hohem Kirchturm, gleich einer mittelalterlichen Zitadelle. Dies war St. Pirmins Abtei“.
So friedlich zeigte sich der von vielen Kriegen heimgesuchte Grenzort nicht immer.
Für Johann Nikolaus Götz jedenfalls wurde nach einem Jahrzehnt unsteten Lebens das abseits der Zweibrücker Residenz gelegene Hornbach zum Refugium, zum Idyll. Herzog Christian IV. hatte ihn 1751 zum Pfarrer dort ernannt, am 3. März trat Götz seinen Dienst an.
Angekommen, widmete Götz dem Zweibrücker Gymnasialprofessor und Freund Crollius das Gedicht „Einladung aufs Land“. Es ist ein für die Anakreontik typisches Gedicht: voll Lebenslust in ungestörter Natur und im Beisein der Götter. So preist Götz in sieben Strophen überschwänglich „Die Freuden, die wir hier auf Hornbachs Flur genießen“. ZITAT
An der Evangelischen Pfarrkirche (der „Protestantischen Klosterkirche“) auf dem Klosterhügel verweist eine Tafel auf Johann Nikolaus Götz. Das klassizistische Gebäude wurde 1785/86 gebaut. Götz musste seine Gottesdienste noch im halben Mittelschiff der baufälligen Abteikirche halten oder (und) im jetzigen Rathaus am Marktplatz, einem hübschen Renaissancebau und, von 1700 bis 1786, Simultankirche für beide Konfessionen. 2
Von dort zum ehemaligen Protestantischen Pfarrhaus, mit Wohnhaus (von 1608) und Wirtschaftsgebäude (von 1610), Burgstraße 9, ist es nicht weit. Vieles spricht dafür, dass Götz in seiner Hornbacher Zeit (1751 bis 1754) hier, „wo du bey fremden Gütern / Dein eigner König bist“, gewohnt hat.
Das Pfarrhaus wurde zum privaten Wohnhaus. Der jetzige Besitzer ließ seinen ursprünglichen Zustand wieder herstellen und richtete im Wirtschaftsgebäude ein Museum ein.
Ein Jahr nach seinem Amtsantritt heiratete Götz die junge Witwe seines Vorgängers, eine geborene Zäsar, seine „Zäsarin“. Sie brachte einen Sohn mit in die Ehe; in Hornbach kamen Sohn Gottlieb Christian (später Verleger des lyrischen Gesamtwerks seines Vaters) und zwei Töchter zur Welt:
Die Harmonie
O wunderbare Harmonie!
Was er will, will auch sie:
Er bechert gern, sie auch;
Er lombert* gern, sie auch;
Er hat den Beutel gern,
Und spielet gern den Herrn,
Auch das ist ihr Gebrauch.
O wunderbare Harmonie!
Was er will, will auch sie.
*von l’hombre, einem französischen Kartenspiel
(zitiert nach der Ausgabe von Ramler, Vermischte Gedichte Zweiter Teil, Seite 152)
Als Pfarrherr und Familienvater begann für Götz ein neuer Lebensabschnitt. Um „mein kleines Glück, und alle meine gegenwärtige Wohlfahrt“ nicht zu verlieren (Brief an den in Berlin lebenden Herausgeber und Freund Karl Wilhelm Ramler vom 5. 9. 1772), sollte Götz von Amts wegen das Dichten aufgeben. Seine Vorgesetzten nahmen daran Anstoß. Götz dichtete fortan im Verborgenen, Ramler veröffentlichte die Gedichte („Stücke von einer außerordentlichen Feinheit, Zärtlichkeit und Süßigkeit“) anonym. Im „Johann Nikolaus Götz Saal“ des Bürgerhauses kann man eines seiner Gedichte aus dieser Zeit lesen:
Sage, sprach ich zu der Freude,
Sage doch: was fliehstu so?
Hat man dich, so fliehstu wieder!
Nimer wird man deiner froh.
Sie erwiederte: Bedanke
Dennoch bey den Göttern dich!
Wann ich ohne Flügel wäre,
Sie behielten mich für sich.
(nach der originalen Handschrift, abgedruckt im Ausstellungskatalog der Stadtbibliothek Worms 1986.)
Johann Nikolaus Götz wurde von Hornbach gegen Ende 1754 nach Meisenheim/Glan versetzt, von dort 1764 nach Winterburg, wo er 1781 verstarb.
Im März 2015 bekam Johann Nikolaus Götz auch in Hornbach sein Denkmal.