Losheim am See
Die Groß-Gemeinde Losheim am See wurde 1974 durch die saarländische Gebiets-und Verwaltungsreform geschaffen. Sie gewann elf zuvor selbständige Orte als Ortsteile hinzu, unter ihnen Bachem, Britten, Rimlingen, Rissenthal und Wahlen; dabei erhöhte sie ihre Gesamtfläche auf fast 97 Quadratkilometer und die Zahl ihrer Einwohner und Einwohnerinnen von etwa 4000 auf 15 000. Die Gemeinde ist nicht zusammenhängend besiedelt, sondern die einzelnen Ortsteile – überwiegend Wohngemeinden für Berufspendler – sind in Wälder, Felder und Wiesen „eingestreut“. Das macht die Landschaft in diesem Teil des Nordsaarlandes sehr reizvoll. Der Stausee, der Losheim zu einem auch überregionalen Touristenziel macht, wurde 1974 angelegt. Die Gemeinde ist aber auch ein für die Region bedeutendes Wirtschaftszentrum mit vorwiegend mittelständischen Unternehmen u.a. der holzverarbeitenden Industrie und des Maschinen-, Stahl-und Anlagenbaues. Und sie hat schon seit 1899 ein eigenes Krankenhaus.
Als bedeutende Losheimer Persönlichkeiten gelten der im Ort geborene und gestorbene Kunstmaler Otto von Pidoll (1908–1982), ein Nachfahre der lothringischen Adelsfamilie Pidoll zu Quintenberg, und die Schriftstellerin Natalie Zimmermann (1903–1978), die in Losheim zur Welt kam, aber in Neunkirchen starb. 1 Kammersänger Karl Christian Kohn (1928–2006), der 1952 am Stadttheater Saarbrücken debütierte und ab 1958 bis zu seinem Bühnenabschied 1991 Ensemblemitglied der Bayerischen Staatsoper war, ist ebenfalls ein gebürtiger Losheimer.
Ein Losheimer mit spannender Biographie war auch Peter Dewes (1821–1876). Der Unternehmer betrieb am Ort eine Tabakspinnerei, eine Gastwirtschaft und eine Brauerei. Er engagierte sich im Schulwesen und in der Jugendarbeit, forderte in diesem Rahmen die Trennung von Kirche und Schule, womit er sich bei der Obrigkeit nicht gerade beliebt machte. Von April bis Mai 1848 saß er im Fünfzigerausschuss zur Vorbereitung der Sitzungen der Frankfurter Nationalversammlung. Von Mai bis Dezember 1848 war er in der Nationalversammlung Abgeordneter für Merzig. Er gehörte der radikal-demokratischen Donnersberg-Fraktion an (benannt nach dem Tagungsort).
Nur wenige Jahre jünger war der in Losheim geborene Pädagoge Nikolaus Voltz (1827–1915). Er gründete 1853 in seinem Elternhaus eine „Königlich concessionierte Lehr-und Erziehungsanstalt“, im Volksmund Voltz’sche Schule. Die private „Unterrichts-und Erziehungsanstalt für Knaben im Charakter einer gehobenen Elementarschule“ war nach Dittmar Lauer „die wohl älteste Höhere Knabenschule im Hochwaldraum“. Ein Internat war angeschlossen, und bei Schließung der Schule 1871 hatten sie 300 Schüler durchlaufen, die meisten von außerhalb, aus der Rheinprovinz, aber auch aus Luxemburg, Frankreich, Brasilien und den USA. Die einheimischen Schüler machten nur einen geringen Teil der Zöglinge aus. Einer von ihnen war der Unternehmer und Politiker Peter Dewes. Nikolaus Voltz starb 1915 im elsässischen Schlettstadt (Sélestat). Heute trägt die Grundschule Losheim seinen Namen.
Bedeutend in und für Losheim war auch Pastor Nikolaus Groß, seit 1963 Ehrenbürger von Losheim und von 1938 bis 1968 Seelsorger in der Katholischen Pfarrkirche St. Peter und Paul. Während der Ausschachtungsarbeiten zum Wiederaufbau der 1944/45 weitgehend zerstörten Kirche machte er bedeutende archäologische Funde und wies damit nach, dass am Ort schon zur Zeit der Kelten und in der späten Bronzezeit Menschen siedelten. In den 1960er Jahren förderten Grabungen in den Flurteilen Harscheid und Großwald weitere Grabstätten und Siedlungsspuren aus der Kelten-und Römerzeit zu Tage.
Das Ortszentrum ist heute modern gestaltet mit Cafés und Restaurants. Und in der Saarbrücker Straße hat sich sogar ein Kino gehalten, die „Lichtspiele Losheim.“ Dank der 2016 gegründeten „Filmfreunde Losheim“, die ehrenamtlich ein regelmäßiges Programm stemmen wollen. 2
Wer sich auf Zeitreise begeben will, kann den Stationen des Losheimer Geschichtslehrpfades folgen. Der Verein für Heimatkunde hat 1997 mit dem Aufbau begonnen. Leider gibt es aber für Interessierte, die sich aus der Ferne online informieren wollen, keine Übersicht über die bis heute realisierten Stationen. Man muss eine hessische Webseite aufrufen, um einen, nicht einmal aktuellen, Überblick zu erhalten. 3
Zur Zeit von Natalie Zimmermann gab es bereits das Losheimer „Schlösschen“ in der Saarbrücker Straße, Station Nummer 4 des Geschichtslehrpfades. Erbaut 1893, wurde es ab 1899 als Dienstwohnung für die Ärzte des St.-Josef-Krankenhauses gleich nebenan genutzt.4 Erhalten ist auch die Alte Volksschule Auf dem Feld, erbaut 1892 und 1898/99 bzw. 1908 erweitert. 5In dieser Schule hat Natalie Zimmermanns Vater unterrichtet, wohl auch Natalie Zimmermann selbst gelernt, bevor ihre Eltern sie auf auswärtige Schulen schickten.
Auf dem Feld ist heute zugebaut. Natalie Zimmermann erlebte diesen Teil Losheims noch als dörfliche Idylle. In ihrem Prosatext „Die neue Stadt“ beklagt sie den Verlust des Dorfes; das war nicht mehr ihr Losheim: „Meine Heimat ist jedenfalls nie Stadt, immer Dorf.“ Das Dorf, dem sie ihr Gedicht „Mein Losheim“ widmete, existiert nicht mehr: „Was ich da fand? Viel traute Häuserecken, / dort einen Bach, drin Barfußkinder gehen, / und Straßen, die sich in dir drin verstecken. / An ihrem Rande da und dort paar Hecken, / ein Marktplatz, drum die stillen Häuser stehn.“
Den Zerstörer des Dorfes schlechthin, die Eisenbahn, gibt es noch. Losheim war 1903 an das Schienennetz der im selben Jahr in Betrieb genommenen Merzig-Büschfelder Eisenbahn (MBE) angeschlossen worden. Die Strecke von Merzig-Süd nach Büschfeld, heute Stadtteil von Wadern, ist in voller Länge seit 1987 stillgelegt. Auf der eingleisigen Schmalspur-Trasse verkehren aber bis heute Museumszüge, sodass man noch ein Gefühl dafür bekommen kann, wie es war, in der Holzklasse mit der „Kleinbahn“, der „Klinsch“ oder dem „Feurigen Elias“ in den Hochwald zu schnaufen. Edmund Hoff aus Merzig hat das noch original, live und in Farbe erlebt, als er ein Junge war, anno 1944.