Saarbrücken-Dudweiler

 

Dudweiler ist ein Sonderfall unter den Saarbrücker Ortsteilen. 977 zum ersten Mal urkundlich erwähnt, groß geworden durch den Bergbau, wuchs Dudweiler im 20. Jahrhundert heran zum „größten Dorf Europas“. Es erhielt 1962 die Stadtrechte, wurde aber bereits 1974 im Rahmen der saarländischen Gebiets- und Verwaltungsreform gegen breiten Widerstand in der Bevölkerung in die Landeshauptstadt eingemeindet. Der damals zugestandene Sonderstatus mit hauptamtlichem Bezirksbürgermeister wurde 2014 aufgehoben. Die früher vermutete Herkunft des Namens vom fränkischen Edelmann Dudo ist heute umstritten.

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Gedenktafel Johann Wolfgang von Goethe. Foto: Becker & Bredel

Die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete Universität des Saarlandes liegt auf Dudweiler Territorium.
Durch Goethe ist Dudweiler in die Weltliteratur eingegangen. In „Dichtung und Wahrheit“ hat er, der 1770 als 21-jährige Student von Straßburg hierher geritten war, den Brennenden Berg beschrieben, einen schwelenden Kohlenflöz – was vor Ort auch mit einer Gedenktafel gewürdigt wird . ZITAT

Der Autor Harald Gerlach, der auf Goethes Spuren von Straßburg ins Saarland gewandert ist, will den Brennenden Berg 1999 immer noch brennen gesehen haben, die Szenerie erinnert ihn „bedrohlich an einen Vorhof der Hölle“. In Dudweiler ist man stolz auf den Goethe-Besuch, von dem Liesbet Dill allerdings abschätzig meinte: „Wo man hinkommt, waren schon Goethe und die Römer.“

A propos Liesbeth Dill: In der Saarbrücker Straße stand ihr Elternhaus , hier hat sie ihre, wie sie selbst schrieb, „reiche, ungetrübte Jugend“ verbracht und später anschauliche Erinnerungen an das Dudweiler der 1880er Jahre verfasst. ZITAT

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Geburtshaus Lisbet Dill

1957 wurde Liesbet Dill Ehrenbürgerin von Dudweiler, eine Straße wurde nach ihr benannt . Sie ist in Wiesbaden gestorben, ihr Grabstein und der ihres zweiten Ehemanns Karl Wilhelm von Drigalski wurde 2007 von der Bezirksverwaltung Dudweiler erworben und auf den dortigen Friedhof überführt .

Zweiundzwanzig Jahre nach Goethe, zur Zeit des Fürsten Ludwig, hat der berühmte Freiherr Adolph Knigge auf einer Reise ebenfalls einen Abstecher nach Dudweiler gemacht und in seinen Briefen sowohl das Jagdhaus des Fürsten, in dem später Liesbet Dill geboren wurde, wie auch den Brennenden Berg beschrieben. ZITAT

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Grabstein Lisbet Dill

Nachdem Axel Herzog 1987 Saarbrücker Stadtteilautor mit Zuständigkeit für Dudweiler geworden war, veröffentliche er zwar eine Broschüre mit dem Titel „Aus Liebe zu Dudweiler“; das hielt ihn aber nicht davon ab, das Ortszentrum als „immense Anhäufung einzelner Scheußlichkeiten“ zu beschreiben. ZITAT

Neben Goethe ist „De Monn mit da long Stong“ (der Mann mit der langen Stange = der Gaslaternenanzünder) eine andere Dudweiler Identifikationsfigur . Ludwig Harig hat ihn 1977 zum Leitmotiv seiner Rede zur 1000-Jahrfeier von Dudweiler gemacht, indem er u.a. die lange Stange mit dem Protest der Dudweilerer gegen die Gebietsreform in Verbindung brachte.

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„De Monn mit da long Stong“

Harig, gebürtiger Sulzbacher, hat von 1963 bis 1978 in Dudweiler am Gehlenberg gewohnt und in seiner kleinen saarländischen Sprachkunde unter dem Titel „Die Harmonie der Widersprüche“ die „vokalische Verdunkelung“ durch die Dudweilerer als „fundamentalen Unterschied“ zwischen beiden Orten ausgemacht. In seinem Roman „Ordnung ist das halbe Leben“ geht Harig auch auf Goethe ein und wirft die brisante Frage auf, ob der Brennende Berg wirklich zu Dudweiler oder eigentlich zu Sulzbach gehört (S. 328 f.)

Dudweiler ist seit 1988 der Wohnort von Edith Braun, der „‘Grande Dame‘ der saarländischen Mundarten“ (Lutz Hahn). Dank Erwin Stegentritt, der nicht nur Wissenschaftler und Schriftsteller ist, wurde Dudweiler mit dem sehr ambitionierten, 1970 gegründeten, noch heute aktiven AQ-Verlag ein von einem Kreis von avantgardistischen Kennern wahrgenommener Verlagsort. Der „Berufs-Saarländer“ Charly Lehnert ist in Dudweiler geboren und aufgewachsen, die Geräusche der nahe gelegenen Eisengießerei und die Gerüche nach Erde, Ruß, nach vorbeifahrenden Eisenbahnzügen bedeuteten für ihn Heimat.

Um die Mundart verdient gemacht hat sich auch die 1926 in Dudweiler geborene Ilse Siebenpfeiffer-Märker. Sie gründet 1991 im Rahmen der Seniorenakademie der katholischen Familienbildungsstätte Neunkirchen ihre Mundartwerkstatt, eine Vereinigung, die über Jahrzehnte rege bleibt. Aber sie arbeitet nicht nur im Rahmen der Mundartwerkstatt, sondern hat selbst auch einige Veröffentlichungen vorzuweisen.

Die Heimatdichterin Salome Kootz trauert den alten Zeiten nach: „Es wa emol so schee un still / mei klänes Berschmannsdorf“, während für einen modernen Wortakrobaten wie Gerhard Stebner der Name Dudweiler nur Buchstabenmaterial für eine sinnfreie spielerische Permutation ist: „du uli die lulu will dill / du lulu der uli will drill“. ZITAT

Der Autor Harald Gerlach, auf Goethes Spuren von Straßburg ins Saarland gewandert ist, will den Brennenden Berg 1999 immer noch brennen gesehen haben, die Szenerie erinnert ihn „bedrohlich an einen Vorhof der Hölle“.

Nils Minkmar, der als Autor „Mit dem Kopf durch die Welt“ (Buchtitel 2009) geht, kehrte nach längerer Zeit in seinen Heimatort zurück, um auf den Spuren des Terroristen Daniel S. in der Moschee von Herrensohr die „Götter von Dudweiler“ und den „Zusammenhang zwischen Islamismus und Freibädern“ besser zu verstehen.