Leo Griebler

geb. 24. Febr. 1912 in Wahlen (heute Ortsteil von Losheim am See), gest. 17. Mai 1985 in Wadgassen

Das „erste Leben“

Als Ahnen an der Mosel und in der Eifel nennt Griebler Winzer, Bauern, Handwerker und Händler, aber auch Organisten und (wie sein Vater) Lehrer. Der Beruf, „unstet und flüchtig auf Erden“, führt die Eltern von Rachtig (heute Verbandsgemeinde mit Zeltingen) ins Hochwalddorf Wahlen im Kreis Merzig. Dort wird Leo als erstes von vier Kindern geboren. Der Vater wechselt nach Hilbringen. Für Leo folgt der dortigen Volksschule bis zum Abitur (1932) das Gymnasium in Merzig, alsdann, dem „väterlichen Gesetz“ folgend, die Pädagogische Akademie Bonn zur Lehrerausbildung. In (Völklingen-)Wehrden tritt er 1935 die erste Lehrerstelle an.

Von hier geht er auch als Rektor (seit 1968) der Grund- und Hauptschule am 31.07.1974 in den Ruhestand. Dazwischen liegt entgegen erstem Anschein kein gewöhnliches Lehrerleben. Schon früh widmet er sich volkskundlichen Studien und Veröffentlichungen. Die Kriegsjahre 1939 bis 1945 führen ihn als Soldat u.a. nach Frankreich und Russland.

Nach dem Krieg kehrt er in den Schuldienst zurück – und beginnt gleichzeitig eine zweite Laufbahn: Am ersten Tag im Lehrerdienst nimmt ihn auch Radio Saarbrücken als Mitarbeiter an.

Im Dienst an der „Volkskultur“

Ab 1950 folgt eine weitere Weichenstellung: Die Regierung des Saarlandes stellt Griebler vom Schuldienst frei zur Leitung einer „Beratungsstelle für Volks- und Laienspiel“. Mit dem Anspruch eines hohen Niveaus gründen 1951 rund 100 Spielgruppen den Saarländischen Volksbühnenbund, seinerzeit mitgliederstärkster Volksbühnenbund Deutschlands. Ab Gründung ist Griebler Bundesspielwart und Referent für Volksbühnenfragen.

Wenig später folgt die Gründung der „Arbeitsgemeinschaft der saarländischen Kulturgemeinden“, in der auch das Chorwesen vertreten ist.  Vielfältig ist sein Wirken auch hier, sichtbar insbesondere in der vom Kultusministerium unterstützten Monatsschrift „Die Kulturgemeinde“ (1950–1955), deren Redaktion er angehört. Herausgeber Erwin August Dekker (1912–1980) charakterisiert den Weggefährten als „Mensch[en] mit denkendem Herzen, also mit dem Herzen gestaltend, sichtend und würdigend, begabt mit einem Verstand, der eine Funktion der Seele ist, frei von farblosem Intellektualismus und jeglichem Formalismus, Feind alles Gekünstelten und Unechten.“ Weniger blumig nennt er konkret „richtung- und wegweisende Aufsätze“ (z.B.: Der bunte Abend, Wie entsteht eine Spielgruppe, Kultur und Kapital, Zensur und Bevormundung), Nachweise guter Spielliteratur, hilfreiches Wirken als verständiger wie sachkundiger Kritiker von Aufführungen und intensive und fruchtbringende Arbeit im Kampf gegen Kitsch und Vereinstheater alten Schlages.

Der Bühnenautor

Folgerichtig widmet ihm „Die Kulturgemeinde“ im Februar 1953 eine Titelseite und ein Portrait.

Offizieller Anlass ist die erste Annahme eines Laientheaterstücks von Griebler durch einen Münchener Bühnenverlag. Dieses pazifistische „Ein Mönch Berthold Schwarz“ steht, wie auch weitere Stücke (z. T. Bearbeitungen von Hörspielen) in der Folge mehrmals in Spielplänen saarländischer Laienbühnen.

Es folgen weitere – großenteils noch heute in Verlagsprogrammen enthaltene – Stücke, oft eher unterhaltend, vielfach aber auch mit unverkennbar pädagogischen Zielen. Gespielt werden sie aber, häufig wohl von Schülerensembles außerhalb des Landes, noch Jahrzehnte nach seinem Tod. z.B. 2011 in Pinneberg, 2012 in Wedel (bei Hamburg) und Worms, 2017 in Alzey; die Dunkelziffer solcher Aufführungen dürfte hoch sein.

Radio und Fernsehen

Am Tag der Wiederaufnahme des Lehrerdienstes nimmt Radio Saarbrücken – wie bereits erwähnt – Grieblers ersten Rundfunktext an, für ihn ein gutes Omen. Was folgt, fasst er in den knappen Satz: „Zahlreiche Hörspiele, Sketche und Plaudereien in Mundart gingen über den Saarbrücker Sender.“

Als Kuriosität erwähnt sei das Hörspiel „Die Galgenfrist“ um fünf verschüttete Bergleute und ihre Rettung (von Oktober 1949, „aus technischen Gründen“ verschoben auf Januar 1950): Um einen realistischen Klang zu erzielen, erfolgen die Aufnahmen in der „Grube Felsen“ (gemeint ist wohl Velsen).

Sein populärstes „Kind“ aber ist ab Februar 1949 die satirische „Saarlandbrille“, eine der beliebtesten Sendungen von Radio Saarbrücken, Sonntag gegen 13 Uhr festes Programm zahlreicher Hörerfamilien. Fünf bis zehn Minuten karikieren „de Zick, de Zack unn es Marieche“ (Fritz Weißenbach, Peter Schmidt und Maria Rumann) politische, gesellschaftliche und kulturelle Themen der Woche aus dem Ländchen, teils in Platt, teils in einem mit Mundart durchsetzten, gewollt bemühten Hochdeutsch.

Nur beim Namen steht Pate Fritz Kühners deutschnationale Saar-Großstadtbrille. Die Grundorientierung der Saarlandbrille dagegen passt – schwer zu entscheiden, ob aus Pragmatimus, tiefer Überzeugung oder einer Mischung aus beidem – zum regierungstreu-konservativen und Frankreich-freundlichen Sender. Grieblers dennoch nicht nur unkritische Textvorlagen verarbeiten auch Hörer-Anregungen zu Missständen und anderem Bemerkenswerten aus dem Ländchen.

Noch kurioser gemischt aus Hochdeutsch und Mundart klingen Zwiegespräche in einer humoristischen „Radio-Reklame“ für Palmolive-Produkte. Fritz Weißenbach und Werner Wiedemann als die Herren „Spreb und Atzel“ blödeln (lange vor Erfindung dieses Begriffs) unpolitisch zu Allerweltsthemen. Hier einzureihen ist auch das Duo „Dop und Döpchen“, Mann und Kind mit Werbung (für das heute noch existierende) französische Haarpflegemittel „Shampooing DOP“ sowie „Paulchen Sprenzpeffer“ (ein gewitzter Halbwüchsiger) und „Schnick und Schnack“.

 

Die Volksabstimmung vom 23. Oktober 1955, die im Endergebnis zur Rückgliederung der Saar führt, bringt tiefe Einschnitte auch beim Rundfunk. Die Saarlandbrille, oft unterschwellig, doch unüberhörbar neigend zum „Ja zum europäischen Saarstatut“ verschwindet „von heute auf morgen“ ohne jegliche Erklärung aus dem Programm. Reiner Freyers www.saar-nostalgie hält die vermutlich letzte Sendung vom Abstimmungstag zum Anhören bereit.

Andere Aufgaben bleiben Griebler erhalten, z.B. Sendereihen zur Mundart, ferner einzelne Funkfeatures, oft mit Sachinformationen, aber auch zu drei Autoren der Saarregion: Alfred Petto, Nikolaus Fox und Ernst Thrasolt.

Nach Start des SR-Regionalprogramms 1961 einzuordnen sind Grieblers Fernseh-Serien (Familie Weißenbach, Er und sie).

Danach ist er beim SR nur noch ein einziges Mal 1974 eine halbe Stunde Gast der Kulturradio-Reihe „Saarländische Autoren“.

Der Heimatforscher

Ungeachtet anderer Betätigungsfelder ist Grieber immer Pädagoge geblieben. Rektor seiner Grund- und Hauptschule in Völklingen-Wehrden wird er 1968, in den Ruhestand tritt er am 31.07.1974. Der Meldung der „Saarbrücker Zeitung“ ist zu entnehmen, dass er noch immer mehrere, heute allerdings schwer aufzustöbernde Eisen im Feuer hat: „Geachtet als Bürger, Mensch und Christ tritt Rektor Leo Griebler in den Ruhestand. Nicht nur als Pädagoge, sondern auch als Heimatforscher hat er sich einen Namen gemacht. Tausende von Schülern, deren Wertschätzung er hatte, die Eltern und sein Kollegium wünschen ihm einen unbeschwerten Lebensabend.“.

Schon 1958 sagt er: „Erzählungen und Gedichte sind in Zeitungen und Kalendern verstreut. Der Mundart und ihrer Etymologie widmen sich zahlreiche Arbeiten, und in einer Aufsatzserie, die in einer Trierer Tageszeitung erschien, weise ich nach, daß jede Mundart eine vollgültige Erscheinungsart indogermanischen Sprachgutes ist, daß sie kein entartetes Hochdeutsch darstellt, sondern den Garten, daraus die Schriftsprache erblühte.“ Kaum anzunehmen, dass die damaligen „Schubladen voller Pläne“ inzwischen leerer wurden.

Leo Griebler bleibt Heimatforscher auf Gebieten wie Mundart und ihre Etymologie, Archäologie, Geschichte des Saarlandes und seiner Nachbargebiete oder auch mittelalterliche Keramik.

Die wenigen zugänglichen Belege dürften – gemessen am Gesamtumfang seiner Arbeiten – allenfalls die Spitze eines Eisbergs bilden. Weitere Beispiele: „Der Urname des Schaumbergs“ und „Namenforschung um zwei Saarschleifen“ [die große bei Mettlach und die kleine bei Hamm, heute Gemeinde Taben-Roth], beides 1956 in der Saarbrücker Zeitung, „Eine Geschichte Merzigs in Daten und Namen“, 1984 im Mitteilungsblatt „Neues aus Merzig“; „Die Sprache der Steinzeit“ (o. J.), „Die Mettlacher Wallfahrerliste“ (1960) und „Die Erwähnung saarländischer Ortsnamen in den Mittelrheinischen Regesten“ (1962), beide in der Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend, „Burg und Bergstadt Berus“ (1962) und „Ausgrabungen an der Teufelsburg“ (1966), beide in Saarheimat, „Flurnamen als archäologische Indizien“ (1967) in Saarbrücker Hefte, „Eine mittelalterliche Töpferei bei Düppenweiler“ (1975) in Bericht der Staatlichen Denkmalpflege, „Flurnamen entdecken Antike“ (1984) in Unsere Heimat (Saarlouis).

Der Dichter und Schriftsteller

Weniges gelangt in den allgemeinen Buchhandel, z. B. als Kapitel „So schwätze ma – Die Mundarten des Saarlandes und ihre Dichtung“ in „Das Saarlandbuch“ (1981, Minerva). Wichtiger ist eine Anthologie von 1964 im gleichen Verlag, herausgegeben von ihm und Klaus Stief, unterstützt von Alfred Petto und Karl Conrath.

Das Werk markiert eine Wende in der saarländischen Mundartliteratur, die sich bisher überwiegend bewegte zwischen Heiterem (Fastnacht), Patriotischem, Vergangenheits- und Heimatverklärung. Hier tauchen andere Töne und Namen auf, erstmals Heinrich Kraus, der wohl größte Mundartautor, den die rheinfränkische Region hervorbrachte. Aber auch der für sein hochdeutsches Werk gerühmte Johannes Kühn ist als Johann Kühn mit moselfränkischer Mundart enthalten.

Leider nennen Bibliotheken bestenfalls Klaus Stief als Herausgeber, Grieblers Anteil wird nicht gewürdigt. Gleichwohl ist das Büchlein eine der wenigen greifbaren Quellen für Gedichte, die Griebler selbst verfasst hat. Nebenbei zeigt er auch hier, dass er zum als Kind erworbenen Moselfränkischen durch seinen späteren Lebensmittelpunkt auch das Rheinfränkische glaubwürdig anzuwenden weiß.  ZITAT

Dass er dennoch auch in der Sprache seiner Kindheit lebt, beweisen 1980 die größte zusammenhängende Auswahl von ihm verfasster Gedichte, das „Hilbringer Bauernjahr“, und der Sachbeitrag „Von der Hilbringer Mundart“ im Hilbringer Heimatbuch.

Kleinere Fragmente seines Werks finden sich im Kapitel „So schwätze ma! – Die Mundarten des Saarlandes und ihre Dichtung“ in „Das Saarlandbuch“ (1982), ferner in den Anthologien „Wir bergen die Ernte“ (1959), „Mit uns kann ma schwätze“ (1984), „Heij bei uus“ (1992) und „Hohwäller“ (2006).

Leider verstirbt Leo Griebler vor Erscheinen seines umfangreichsten Werkes, dem Kinderbuch „Martin, Monique und die Seifenkiste Napoleon“, in dem der Pädagoge, der Heimatkundler und der Verfasser lebensnaher Texte eine glückliche Verbindung eingehen.

Märchenhafte Elemente (heute vielleicht auch „Fantasy“) verschmelzen mit kindgerechter Beschreibung des Saarlandes, seiner Landschaften, der Geschichte und der wirtschaftlichen Grundlagen seiner Bewohner. Flussgeist Saravus schickt zwei Kinder von Flussschiffern in der selbsttätig fahrenden Seifenkiste Napoleon auf eine Entdeckungsreise, ausgestattet mit Hilfsmitteln, die sie winzig klein (und wieder groß) oder unsichtbar machen oder in längst vergangene Zeiten führen: auf über 230 Seiten eine Heimatkunde, die ihresgleichen sucht.

Dass Leo Grieblers Werk dem Populären zuzurechnen ist, mag ihm aus dem Blickwinkel der Hochkultur wenig Ehre bringen. Wichtig war ihm der Kontakt zu den Leuten, deren Kinder seine Schule besuchten. Zudem scheint bei ihm eine nützliche Fähigkeit unterentwickelt: die der Selbstinszenierung bzw. der Eigenreklame. Kein Wunder, dass er so gut wie vergessen ist. Ein erheblicher Teil seines literarischen Erbes ging wohl unwiederbringlich verloren, und noch Vorhandenes ist weit verstreut.

Er hätte sich vielleicht mit seinen zwei Lebensregeln getröstet.

Vordergründig:
„Vom Leben soll man alles verlangen, aber nichts erwarten.“

Hintergründig und ihm wohl wichtiger:
„Du bist auf Erden zu Besuch.
Fühl dich drum nur als Gast!
Denk immer an den steilen Weg,
den du nach Hause hast!“

Peter Eckert