Schreiben, Übersetzen, Verstehen – Kulturtransfer à la Sarroise

Von Peter M. Kruchten

Europa wächst und wird polyphoner, Sprachenkompetenz wird immer wichtiger. Aufgrund seiner geografischen Lage – „im Herzen Europas“ – und seiner hinlänglich bekannten Geschichte – „zwischen Deutschland und Frankreich“ – werden (Kultur-) Politiker nicht müde, dem Saarland auch in den Bereichen Sprache, Sprachvermittlung oder Übersetzen eine besondere Rolle zuzusprechen. Entsprechende Angebote und Aktivitäten finden sich wenig überraschend vor allem in Bereichen der (Aus-) Bildung.

  • Mit Blick auf den Nachbarn im Westen wurde 2014 eine Frankreich-Strategie für das saarländische Bildungssystem beschlossen.
  • An der Universität, die ja 1948 unter der Ägide der Französischen Republik als zweisprachig orientierte Hochschule gegründet worden ist, gibt es neben dem traditionsreichen Dolmetscher-Institut seit 1998 ein Sprachenzentrum (Leitung:
    Dr. Peter Tischer) und seit 2007 einen Studiengang „Vergleichende Sprach- und Literaturwissenschaft/Translation“ (Lehrstuhl: Prof. Christiane Sollte-Gresser).
  • Und nicht zuletzt haben eine ganze Reihe ausgezeichneter Übersetzer und Übersetzerinnen Wurzeln an der Saar.

(Vor-) Schule

„Derzeit bieten rund 220 saarländische Kindertageseinrichtungen – dies entspricht etwa 40% der saarländischen Krippen und Kindergärten – eine zweisprachige Erziehung und Bildung auf Deutsch und Französisch an“, heißt es im „Sprachenkonzept Saarland 2019“. In den Grundschulen ist Französisch-Unterricht generell in den Klassenstufen 3 und 4 Pflichtfach; an etwa einem Drittel wird die „Nachbar- und Partnersprache“ sogar schon ab der ersten Klasse unterrichtet. Wie erwähnt, beruft man sich hierbei vor allem auf „historische und geografische Gründe.“

Denn dass es „nützlichere“ Sprachen im Europa des 21. Jahrhunderts (und dem Rest der Welt) gibt, ist den Saarpolitikern keineswegs verborgen geblieben. So wird beispielsweise Englisch laut einer EU-weiten, von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen Studie von 76% der Befragten als „Fremdsprache mit großem Nutzen“ betrachtet, Deutsch von 17% und Französisch von 16%. Trotzdem ist hierzuland die Rede von einer „Vision“, der zufolge an der Saar in 20 Jahren Französisch „als weitere Amts- und Bildungssprache Deutsch ergänzen soll.“ Die Ernsthaftigkeit (und die Sinnhaftigkeit) dieses Postulats wird von vielen Fachleuten allerdings angezweifelt. Der aus Neunkirchen/Saar stammende Prof. Dr. Albrecht Buschmann beispielsweise, Übersetzer und Ordinarius für spanische und französische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Rostock, hält das für eine „vollkommen verstiegene Idee.“ Buschmann plädiert dafür, stattdessen mehr Gewicht auf „ordentliches Englisch“ zu legen.

Hochschule

Unser Zeitalter, schreibt Albrecht Buschmann, „wird ein Jahrhundert der Migration sein“. Immer mehr Menschen lebten „in Zusammenhängen, in denen sie nicht ihre Muttersprache sprechen“. Vor diesem Hintergrund werde Übersetzung mehr und mehr zur „Übersetzung zwischen Kulturen“.

An der Uni des Saarlands geht Prof. Dr. Christiane Sollte-Gresser ähnlichen Fragen nach. Aus ihrer Sicht sind (literarische) Übersetzungen „nicht nur eine einfache Übertragung in eine andere Sprache, …sondern ein komplizierter interkultureller Vorgang.“ Den Übersetzer sieht sie als Vermittler und kreativen Autor zugleich, der neben guten Sprachkenntnissen und einem ausgeprägten Sprachgefühl „das Gespür für kulturelle Eigenarten“ haben muss. „Auch aus diesem Grund empfehlen sich längere Auslandsaufenthalte während des Studiums.“ Denn viele Klischees und (nationale) Stereotypen werden erst im direkten Vergleich der Kulturen sichtbar. Die Saarbrücker Wissenschaftler sprechen von „interkultureller Hermeneutik“; sie fragen: „Was fällt mir bei der Betrachtung der fremden Kultur auf und was nicht? In welchem Maß entspricht die andere Kultur meinem eigenen Weltbild, und wie weit weicht sie davon ab? Bemerke ich überhaupt kulturelle Eigenarten – zum Beispiel soziale Regeln – wenn es vergleichbare in meiner eigenen Kultur nicht gibt?“

Praxis/Übersetzer

Die Übersetzer sind die Praktiker des Sprach- und Kulturtransfers par excellence. Gerade literarische Texte tragen dazu bei, uns andere Kulturen nahezubringen, wo die unmittelbare, persönliche Auseinandersetzung mit dieser „anderen“ Lebenswelt nicht möglich ist. Etwa ein Dutzend Männer und Frauen aus dem Saarland haben sich als literarische Übersetzer einen Namen machen können. Einerseits eine für das kleine Land beachtliche, andererseits eine überschaubare Zahl von Akteuren; da wundert es nicht, dass sich viele Beziehungslinien überschneiden und immer wieder dieselben Personen in Erscheinung treten. Zumal mehr als die Hälfte von ihnen an der Uni des Saarlands gelehrt und/oder gelernt hat. Und die Zahl der kulturellen und Kultur fördernden Einrichtungen begrenzt ist. Sowohl auf der Zeitachse als auch inhaltlich und formal-ästhetisch kann man von drei Generationen von literarischen Übersetzern sprechen.

Die Pioniere

Da ist zunächst die „Nachkriegsgeneration“, deren Arbeit eng mit dem damals wichtigsten Medium, dem Saarländischen Rundfunk – respektive „Radio Saarbrücken“ – verknüpft ist. Der Zeit und der politischen Lage geschuldet, ist der Blick dieser Kulturvermittler stark auf Frankreich ausgerichtet. Bei Pierre Séguy (1921 – 2004), der in der Ära Joho (Johannes Hoffmann) als Programmdirektor und Sendeleiter in der Saarbrücker Wartburg eigesetzt war, zeigt sich die Frankophilie ja schon im Namen. Bürgerlich hieß der gebürtige Österreicher Otto Steinschneider. Über viele Jahre prägt er das Programm des Senders u.a. mit seinen Beiträgen über das französische Chanson. Auch seine Frau, Irmengard Peller-Séguy (1919 – 2019), arbeitet lange Zeit (auch journalistisch) am Sender. Daneben übersetzt sie drei Romane des Lothringers Roger Bichelberger ins Deutsche.

Sendefähiges Programm ist in den ersten Jahren nach dem Krieg knapp, und gelegentlich schlüpft der Literaturredakteur notgedrungen in die Rolle des Literaturübersetzers. Hans Bernhard Schiff (1915 – 1996), der sich damals Jean Bernard Schiff nennt, ist Literaturredakteur der ersten Stunde bei Radio Saarbrücken. Dank längerer Aufenthalte in Frankreich, der Schweiz und England verfügt er über die nötige (Sprach-) Kompetenz, „sein Programm“ entsprechend zu bereichern. Schiff, der auch eigene literarische Texte publiziert und später den Vorsitz des Verbands der Schriftsteller im Saarland innehat, verfolgt den Gedanken der Kulturvermittlung durch Übersetzung auch später noch konsequent weiter. So reist er Mitte der 1980er Jahre nach Leicestershire, und belebt die Kultur-Partnerschaft des Saarlands mit der englischen Grafschaft, indem er Texte lokaler Autoren sammelt, übersetzt und in Buchform herausgibt („In einem anderen Land: Zehn Autoren aus Leicestershire und dem Saarland“, Rhodt u. Riedburg, 1986).

Vielleicht weniger in der Lyrik, aber deutlich in der Prosa, streben die frühen Kulturvermittler in ihren Texten möglichst große Nähe zu den Originalen an. Sie arbeiten produktionsorientiert, betonen die Ausdrucksebene (wörtliche Übersetzung).

Die zweite Generation

Nur unwesentlich jünger als die Vertreter dieser ersten Gruppe (der Pioniere), ist der Mann, der die Zeit nach 1960 prägt. Was ihn deutlich von seinen „Vorgängern“ unterscheidet: er übersetzt nicht auch, also quasi nebenbei; er macht das Übersetzen zu seinem Beruf. Eugen Helmlé (1927 – 2000) wird zum Grandseigneur des literarischen Übersetzens hierzulande. Mehr als fünfhundert (!) Werke französischer und spanischer Autoren überträgt er, macht Autoren wie Raymond Queneau, Georges Perec, Roland Topor oder Yasmina Reza in Deutschland erst bekannt. Dass auch Helmlé seine Liebe zur frankophonen Literatur entdeckt, hängt gewiss auch mit seiner Sozialisation zusammen. Ihn verbindet eine dauerhafte Freundschaft mit dem gleichaltrigen Ludwig Harig; beide gehen in Sulzbach zur Schule, unternehmen Reisen ins benachbarte Frankreich, verbringen längere Zeit in Lyon, übersetzen 1961 gemeinsam Queneaus „Stilübungen“…

Das „Sprachexperiment“, das Harig ein Leben lang begleiten soll, bleibt für Helmlé eher Episode. Zwar gilt sein Augenmerk durchweg der literarischen Avantgarde, er überträgt Georg Perecs lipogrammatischen (ohne Verwendung des Buchstaben „e“ geschriebenen) Roman „La Disparition“ und verfasst sogar selbst zwei Prosatexte nach diesem Vorbild („Im Nachtzug nach Lyon“, 1993 und „Knall und Fall in Lyon“, 1995); sein Ziel ist aber in jedem Fall das Flaubert‘sche „mot juste“, das (eine) treffende Wort. Und wo es nicht zu finden ist, der Einsatz „sprachschöpferischer Phantasie“ (Traugott König). Helmlés Arbeit fällt damit in die Kategorie der rezeptionsorientierten (oder: freien) Übersetzung. (Im Gegensatz zur produktionsorientierten (wörtlichen) Übersetzung.)

1966 war Ludwig Harig mit dem Kunstpreis des Saarlandes ausgezeichnet worden, 1972 Eugen Helmlé. 1982 geht dieser Preis an Felicitas Frischmuth (1930 – 2009). Sie ist die dritte Autorin/Übersetzerin dieser Generation; sie ist verheiratet mit dem saarländischen Bildhauer Leo Kornbrust – und befreundet mit Helmlé und Harig. 1995 veröffentlicht Frischmuth den Lyrikband “Im Gehen. Quand on marche.” Er enthält 33 eigene Gedichte auf Deutsch und Französisch und 33 Gedichte des lothringischen Autors Bernard Vargaftig auf Französisch und Deutsch. Die Autoren haben sich gegenseitig übersetzt, “dazwischen tänzelt es zweisprachig hin und her”, schreibt Eugen Helmlé (Nachwort zu „Im Gehen“, Gollenstein Verlag, Blieskastel). Frischmuth steht sicher nicht in der ersten Reihe der saarländischen Übersetzerinnen; aber sie ist im kulturellen Leben des Landes so stark vernetzt, dass ihre Arbeit Aufmerksamkeit erfährt.

Helmlé hat Romanistik an der Uni des Saarlands studiert. Von 1970 bis 1982 ist er Lehrbeauftragter für Spanisch. Er lernt Wilfried Böhringer (1945 – 1997) kennen, der ebenfalls in Saarbrücken studiert hat und seit 1980 Dozent am Romanistischen Institut ist, sowie dessen Frau Astrid. Auch Astrid Böhringer wird sich als Dozentin und als Übersetzerin mit (iberisch-)spanischer Literatur beschäftigen. Alle drei lebten übrigens in Sulzbach-Neuweiler.

Obwohl seine erste Veröffentlichung eine Übertragung aus dem Französischen ist (Tzvetan Todorov: Die Eroberung Amerikas. Frankfurt/M. 1985), schlägt Wilfried Böhringers Herz für die spanischsprachigen Literaturen Lateinamerikas (Peru, Uruguay, Kuba). Bekanntheit erlangt er bald mit seiner Übersetzung des monumentalen Sprachkunstwerks „Drei traurige Tiger“ von Guillermo Cabrera Infante, das mit James Joyces „Ulysses“ verglichen wird. Wie er sich diesem hochkomplexen Text nähert, beschreibt er im Anschluss an einen Besuch bei Cabrera Infante. „Es kam ihm weniger darauf an, dass sein Text in jeder Einzelheit unversehrt blieb, viel wichtiger war ihm, dass der Geist des Buches nicht verraten wurde. Gerade bei den Wortspielen, die ja nur in seltenen Glücksfällen direkt zu übertragen sind, konnte ich so ohne schlechtes Gewissen die Freiheit genießen, sein Spiel in der eigenen Sprache und von ihr angestiftet weiter zu betreiben und an anderer Stelle zu kompensieren, wenn etwas an seinem Ort partout nicht herüberzuretten war.“ Böhringers Arbeitsweise ist also auch rezeptionsorientiert. Sein intensives Sich-Hinein-Versetzen in die Welt seiner Autoren wird u.a. 1988 mit dem renommierten Helmut M. Braem-Preis belohnt. 1997 kommt Wilfried Böhringer bei einem Unfall ums Leben.

Mit der Universität des Saarlands verbunden, ist auch der Name eines weiteren renommierten Übersetzers. Klaus Martens, von 1990 bis 2009 Lehrstuhlinhaber für Anglistik (Nordamerikanische Literatur und Kultur). Martens arbeitet auf drei Gebieten und ist damit wieder kein „klassischer“ Übersetzertyp wie Helmlé. Er ist Wissenschaftler, daneben ein überaus produktiver Lyriker und schließlich Übersetzer aus dem Englischen, u.a. des Nobelpreisträgers Derek Walcott.

Eugen Helmlés Wirken an der Universität und sein Einfluss auf Studierende und junge Dozenten geht über das bis jetzt Gesagte hinaus. Er wird zum Mentor und Vorbild einer „dritten Generation“ von Übersetzerinnen, gibt ihnen Anregungen und Aufträge.

Die dritte Generation

1989 tritt Helmlé als Herausgeber des Lyrikbands „Résonances. Französische Lyrik seit 1960“ auf (P. Kirchheim Verlag, München); hierin finden sich erste „Geh- bzw. Schreibversuche“ von Hinrich Schmidt-Henkel, Felicitas Frischmuth und Simon Werle.

Helmlé hat Schmidt-Henkel bereits über seinen Vater, den Ordinarius für Germanistik an der Saar-Uni, Gerhard Schmidt-Henkel, kennengelernt. Der ist Mitglied der Jury für die Verleihung des Saarländischen Kunstpreises und stimmt 1972 dafür, den Preis an Helmlé zu vergeben. Ein Statement, das sagt, „dass Literaturübersetzung kunstpreiswürdig ist“ (H. S-H).

Hinrich Schmidt-Henkel (geb. 1959) übersetzt in der Folge Lyrik, Romane, Kinderbücher, Dramen aus dem Französischen, Italienischen, Norwegischen. Dabei geht es ihm immer um das Auffinden oder Erfinden möglicher Entsprechungen in der Sprache, in die übersetzt wird. Mit den spezifischen Mitteln der Zielsprache zu arbeiten, bedeutet für ihn, „ …dass ich den literarischen Text der Ausgangssprache in einen literarischen Text der neuen Sprache bringe, der keine Abschrift ist oder eine Kopie… Literaturübersetzen ist ja sowieso, wenn es gelingt, Schreiben wie der Autor … aber eben mit den Mitteln der neuen Sprache“. Der Übersetzer als Vermittler, als kreativer Autor rezeptionsorientierter Texte; eine methodische Ausrichtung setzt sich fort. Gleichzeitig wird auch das Spektrum der zu übersetzenden Sprachen in dieser Generation weiter, zu Französisch kommt immer öfter Spanisch, aber auch Norwegisch, Italienisch, sogar Hebräisch.

Simon Werle (geb. 1957) ist in vielen Gattungen und mindestens drei Sprachen zuhause. Vor allem sieht er sich aber als „Theater-Übersetzer“. So hat er beispielsweise den Franzosen Jean Racine „wieder-entdeckt“ und ist dafür ausgezeichnet worden (Paul Celan-Preis 1988, Johann-Heinrich Voss-Preis 1992). 2017 wird er mit dem Eugen Helmlé-Preis, 2020 mit dem Paul Scheerbart-Preis für seine Baudelaire-Übertragungen geehrt („Die Blumen des Bösen“ und „Der Spleen von Paris“, beide Rowohlt, Hamburg). Lyrik, Drama; Französisch, Englisch. Und in seiner Muttersprache schreibt Werle Erzählungen, Romane und Stücke.

Zu den „Kindern der 50er Jahre“ zählen auch Vera Loos (geb. 1955), Rainer G. Schmidt (geb. 1950) und Hans Therre (geb. 1948). Schmidt – mittlerweile Paul-Celan- und Johann-Heinrich-Voss-Preisträger – überträgt auch weniger bekannte Texte großer Autoren aus dem amerikanischen Englisch (Melville, Bierce, Anderson) und aus dem Französischen. Gemeinsam mit Hans Therre, den er schon während des Studiums in Saarbrücken und Marburg kennenlernte, entstand 1979/80 eine „links-alternative“ Neuübertragung der Gedichte von Arthur Rimbaud. Therre widmete sich in den Folgejahren sowohl französischen Autoren (Leiris, Gripari) wie portugiesischen und englischen Texten (Levison, Johnstone), die bis dahin in Deutschland kaum beachtet worden waren.

Die Übersetzerin als Scout-Entdecker-Gutachter-Kulturvermittler: in diese Rolle konnte auch Vera Loos gelegentlich schlüpfen. Zusammen mit einer Muttersprachlerin hat sie zwischen 1990 und 2008 mehr als dreißig Werke aus dem Hebräischen (Ivrit) übertragen. Die sprachmächtige Übersetzerin war dabei „Katalysator“ und Mittlerin zwischen dem israelischen „Institute for the Translation of Hebrew Literature“ (ITHL) und den deutschen Verlagen. Auch für Loos ist die Übersetzung ein „künstlerischer Akt“, in dem der Text quasi „nochmal geschrieben wird.“

Svenja Becker (geb. 1967) studiert in den 1990er Jahren in Saarbrücken Spanisch und nimmt teil am „Arbeitskreis Literarisches Übersetzen“ unter der Leitung von Wilfried Böhringer. Zusammen mit Astrid Böhringer veröffentlicht sie 2000 Reportagen und Erzählungen von Gabriel Garcia Marquez. Seit 2002 übersetzt sie alle bei Suhrkamp erscheinenden Romane und Langerzählungen Isabel Allendes. Im Lauf ihrer beruflichen Praxis kommt Becker in Kontakt mit Autoren aus vielen verschiedenen lateinamerikanischen Ländern. Sie unternimmt Reisen nach Ecuador, Mexiko, Chile, Uruguay und Argentinien. Sie will die fremde Kultur mit eigenen Sinnen erfahren; nur so kann sie dem deutschen Leser ein treffendes, authentisches Bild vermitteln. Hinrich Schmidt-Henkel meint, der literarische Übersetzer muss „wissen, wie es in den (fremden) Häusern riecht“.

Was ist ein literarischer Übersetzer? Worin besteht seine Aufgabe, wie verfährt er, wo ist sein Platz im Universum von Autor und Leser? Und wie wird er gesehen – von Autoren, von Lesern? Das sind Fragen, denen Albrecht Buschmann (geb. 1964) nachgeht. Der Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler, der bei Wilfried Böhringer studiert und mit Eugen Helmlé zusammengearbeitet hat, leitet heute den Lehrstuhl für spanische und französische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Uni Rostock. Er hält Seminare und Symposien zum Thema „Gutes Übersetzen“, er publiziert Aufsätze und gibt Bücher dazu heraus. „Der Reichtum der europäischen Kulturgeschichte“, sagt der Wissenschaftler, „besteht darin, dass unterschiedliche Sprachen unterschiedliches Denken ermöglichen… Aber nicht nur zwischen Sprachen übersetzen wir, sondern auch innerhalb von Sprachen, und selbst dort sind Nicht- und Missverstehen alltäglich.“ Das sollte aber nicht als Scheitern aufgefasst werden, „sondern als Suche nach einer gleichsam dritten Sprache zwischen Ausgangs- und Zielsprache.“

Der literarische Übersetzer ist ein Suchender. Er besucht eine fremde Welt und lässt den Leser teilhaben an seiner Sicht. Diese persönliche Sicht – das lässt sich über alle Frauen und Männer sagen, die mit literaturland-saar.de gesprochen haben – diese Sicht also ist geprägt von Begeisterung für die „fremden“ Länder, ihre Menschen und ihre Kulturen. Geld ist auf keinen Fall ausschlaggebend; Übersetzungshonorare sind durchweg jämmerlich. Übersetzer sind Überzeugungstäter, Botschafter aus Leidenschaft.

Der Beitrag wurde geschrieben im Dezember 2021.

Internet-Quellen:
https://www.uni-saarland.de/lehrstuhl/solte-gresser/studium.html
http://campus.uni-saarland.de/studium/bachelor-language-science-bildet-sprachexperten-fuer-berufe-der-zukunft-aus
www.lst.uni-saarland.de/studium/uebersetzer-der-zukunft.html
https://www.uni-saarland.de/fachrichtung/lst/studium/uebersetzer-der-zukunft.html